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Gendern – geschlechtergerechter Sprachgebrauch

Wie kann ich Ihnen als Lektor helfen?

Geschlechtergerechte Sprache macht Frauen im Text sichtbarer. Aber: Wir werden es nicht schaffen, die Sprache selbst neutral zu machen, dazu sind männliche Formen zu tief verankert. Für alle, die Texte schreiben, stellen sich daher die Fragen: Wie viel Sichtbarkeit möchte ich? Wie viel „Sperrigkeit“ toleriere ich in einem Text? Muss alles durchgegendert werden oder reicht es, durch Spotlights Frauen sichtbar zu machen? Wichtig ist, dass Sie sich diese Fragen stellen, dann können wir uns auf einen bestimmten Umgang mit geschlechtergerechter Sprache einigen.

Ich persönlich erachte „Spotlights“ für einen guten Kompromiss zwischen Sichtbarmachen und einer gut lesbaren Sprache. Man macht dadurch Frauen im Text sichtbar, kann aber auf die gewohnten sprachlichen Mittel zurückgreifen.

Möglichkeiten des Genderns auf Wortebene:

  • Langformen: Leser und Leserinnen
  • Kurzformen, dudenkonform: Leser/-innen
  • Kurzformen, nicht dudenkonform: Leser*innen, Leser:innen, LeserInnen, Leser_innen
  • Partizipien im Plural: Lesende
  • Abstraktum: Leitung statt Leiter/-in
  • Umschreibung: lesende Menschen, lesende Personen
  • Ersatzbegriffe: „Führungskraft“ statt „Chef“
  • Adjektive nutzen: „ärztlicher Rat“ statt „Rat des Arztes“
  • Umschreibung mit Relativsatz: „alle, die teilnehmen“ statt „alle Teilnehmer“
  • Plurale: „alle“ statt „jeder“

Hintergründe zum Gendern

Sprachen wachsen historisch und in einer Sprache ist die Geschichte derer abgelegt, die diese Sprache gesprochen haben. Wir leben in einer Gesellschaft, die historisch durch patriarchalische Verhältnisse geprägt ist. Die meisten Berufe wurden von Männern ausgeübt, deshalb heißt es: der Arzt, der Müller, der Schmied. Haben weibliche Personen eine bestimmte Tätigkeit ausgeübt, so wird die Tätigkeit grammatisch mit dem weiblichen Geschlecht verbunden: die Hebamme. Zwar zeigt sich durch diese Zuordnung, Personen welchen Geschlechts in der Vergangenheit einen bestimmten Beruf ausgeübt haben, allerdings ist dieser Beruf heutzutage nicht mehr an ein biologisches Geschlecht gebunden: Viele Frauen üben den Beruf des Arztes aus. In dieser Formulierung wird das Wort „Arzt“ generisch, also allgemeingültig verwendet: „Arzt“ bezeichnet in diesem Sinn eine Fertigkeit, die unabhängig vom biologischen Geschlecht ausgeübt werden kann. Weil das Wort dennoch grammatisch ein männliches Geschlecht aufweist, spricht man vom „generischen Maskulinum“.

Nun kann man eine Frau, die als Arzt arbeitet, auch als Ärztin bezeichnen. Und ein Mann, der als Arzt arbeitet, ist ein Arzt. Diese Wörter werden allerdings in diesem Beispiel nicht generisch gebraucht, sondern bezeichnen außer der Tätigkeit auch das biologische Geschlecht des Tätigen. Wer zu einer Ärztin geht, geht zu einem weiblichen Arzt. Wer aber zu einem Arzt geht, geht entweder zu einem männlichen Arzt oder zu einer Ärztin. Die generische Form „Arzt“ und die personale Form „Arzt“ ist dieselbe, man weiß daher nicht, ob das Wort generisch verwendet wird oder nicht. Doch es liegt nahe, dass viele Leser und Leserinnen mit dem Wort „Arzt“ eben einen Mann verbinden. Damit Lesern deutlich wird, dass gleichwertig eine Frau gemeint sein kann, macht man Frauen sprachlich sichtbar. Darum geht es beim Gendern.

Probleme beim Gebrauch geschlechtergerechter Sprache

Geschlechtergerechter Sprachgebrauch macht Frauen sichtbar. Aber geschlechtergerechter Sprachgebrauch führt nicht automatisch dazu, dass Frauen und Männer z. B. gleichen Lohn erhalten: Er macht nur sichtbar, dass Frauen in allen gesellschaftlichen Bereichen tätig sind und dafür eine Gleichberechtigung einfordern dürfen. Das ist die eine, die politische Seite. Die sprachliche Seite stellt dieser Aufgabe eine stark durch maskuline Formen geprägte Sprachstruktur  entgegen.

Nehmen wir alle generischen Maskulina aus der Sprache, schränken wir auch unsere Ausdrucksmöglichkeiten ein. Mit der personalen Ansprache, z. B. Arzt und Ärztin, geht eine Ausdrucksmöglichkeit verloren, die in der Sprache immens wichtig ist: die Benutzung von generalisierenden Wörtern. In Deutschland wird alle vier Jahre ein neuer Bundeskanzler gewählt. Der Bundeskanzler kann männlich oder weiblich sein, er kann sein Geschlecht auch als divers empfinden. Das alles hat mit seinen Aufgaben nichts zu tun. Nutzt man allerdings die geschlechtlich differenzierenden Formen Kanzler und Kanzlerin, kommt ein weiteres Merkmal, nämlich das Geschlecht, zur Bedeutung des Wortes hinzu. Mag sein, dass manche Wählerin oder mancher Wähler explizit eine Kanzlerin möchte, aber wer einfach nur eine geeignete Person für das Amt wählen möchte und dabei das Geschlecht deren für unerheblich erachtet, der kann nur im generischen Sinn einen „Kanzler“ wählen. Manchmal gibt es Ausweichmöglichkeiten, z. B. können „die Studenten“ durch „die Studierenden“ ersetzt werden, häufig fehlen uns allerdings bei Generika solche Ausweichwörter.

Insgesamt ist gendergerechtes Schreiben eine große Herausforderung und die Sätze sind wenig „leserfreundlich“. Gendergerecht hätte ich natürlich auch „leser- und leserinnenfreundlich“ oder „leserInnenfreundlich“ oder „leser*innenfreundlich“ schreiben können. Als Schreibender muss man immer entscheiden, wie weit man Frauen sichtbar machen kann, ohne dabei Sätze zu produzieren, die niemand („niemand“ ist übrigens auch ein Maskulinum) mehr lesen möchte.